In den Gesprächen am letzen Wochenende über Vision Quest und über die Jahresreise "Nach Hause kommen zum Feuer" - kam immer wieder das Thema Angst auf. Was für ein relevantes Thema, wie ich finde!
Einige haben konkret gefragt, wie das für mich persönlich war auf meinen Reisen aber vor allem während meiner langen Vision Quest, alleine für 40 Tage, in einer Hütte im winterlichen Wald im Hunsrück.
Es kamen Fragen und Geschichten auf über die Angst, allein zu sein und allein im Wald zu sein ... und es gab Fragen zu den Ängsten, die auftauchen, wenn wir an einer Schwelle zu etwas Neuem, etwas Unbekanntem stehen ...
…. das kleine oder große Unbekannte, das gewählte oder nicht gewählte ... es kann persönlich oder auch kollektiv sein - wie viele von uns es in diesem Jahr wahrscheinlich merken.
Was sind das für Ängste? Kriegen wir sie mit - auch in ihren subtilen Schattierungen? Wie gehen wir mit den Ängsten um? Wann und wie agieren wir aus diesen Ängsten heraus (unbewusst)? Wann lassen wir von der Angst abhalten ... etwas zu tun oder etwas nicht zu tun oder etwas wichtiges auszusprechen ...?
Wie vertraut sind wir mit unseren Ängsten eigentlich ...? Das ist vielleicht nicht das attraktivste Thema - auf den ersten Blick … doch sogleich: es ist eins. Ich glaube, wenn wir immer feiner vertraut werden mit den subtilen Stimmen und Regungen in uns, können wir auch immer feiner agieren und werden weniger weg gewaschen oder verhärtet in eine Art zu sein, die uns erstens von uns selbst wegbringt, die uns als Menschen voneinander weg bringt und uns auch von dem Rest der Erde trennt. Und dann gibt es auch noch das Paradox, dass wir oft Angst vor Verbindung haben und gleichzeitig die größte Sehnsucht nach Verbindung ...
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Zurück zu den 40 Tagen Alleinsein
… vor allem aus der Erfahrung während meiner Zeit im Wald - vielleicht sogar mehr noch als dadurch, was auf meiner gesamten Reise davor geschah - kann ich sagen, dass ich überrascht war über die Art und Intensität der Ängste, die da zum Vorschein kamen. Ich war also tatsächlich nicht wirklich vertraut mit meinen eigenen Ängsten.
Es brauchte für mich Wochen von verschiedensten Phasen des "an mir Arbeitens" um nicht von der Angst übernommen zu werden - und meine Quest abzubrechen. Dieses “an mir arbeiten” stellte sich teilweise als in diesem Moment notwendige Vermeidungsstrategie heraus: um meinen Ängsten nicht wirklich in der Tiefe zu begegnen. So begab es sich, dass ich auch diese “guten Werkzeuge” immer mehr weg legen musste. Das sage ich nicht, weil ich denke, dass ich es von Anfang an hätte “besser machen” können: es war einfach ein riesiger Prozess - für den ich natürlich auch riesig viel Zeit hatte. Ein Herantasten an das Thema Angst. Dieser Prozess brachte mir viele verkörperte Erkenntnisse - und vor allem eine andere Beziehung zu Angst. Und zu meiner eigenen Art, Angst zu haben. Es gibt nun eine andere Vertrautheit mit diesem Teil meines Lebens und manche Ängste sind auch tatsächlich nicht mehr da!
Das für mich Erstaunliche und gleichzeitig Erheiternde war, dass ich hier wirklich am eigenen Leib erfahren konnte, dass es stimmt, was ich immer wieder hörte: ... dass wenn ich der Angst in die Augen blicke (ich erzähle gerne, wie ich das in diesem Fall gemacht habe), dann verwandelt sich da etwas. Selbstverständlich gibt es verschiedene Ängste zu differenzieren und diese Art der Konfrontation mit der Angst - wie bei einer solchen Vision Quest - kann für manche Menschen kontraindiziert sein.
Während ich das hier erzähle, möchte ich auch betonen: es ist nicht der Ruf eines jeden Menschens diese Art der innere Reisen und der Selbstbegegnung zu machen. Wir haben hier alle Unterschiedliches zu sein, zu erleben, zu tun und zu teilen. Falls Du den Ruf verspürst auf eine fruchtbare Art vertraut zu werden mit Deinen Ängsten - und was jenseits dieser zu finden ist - brauchst Du vermutlich keine 40 allein zu sein Tage im Wald.
Ich bin nun hier um meine Erfahrungen zu teilen. Aus dieser Zeit, aber auch aus all den Jahren davor. Ich bin hier um mit Dir und Euch im Gespräch zu sein. Und um verschiedene Räume bereitzustellen, die alle dafür da sind, dass Menschen sich in ihrer eigenen Tiefe begegnen können. Räume für die Fragen: Wer bin ich jenseits meiner Konditionierungen, Strategien, Ideen? Warum bin ich hier? Was für ein Geschenk bin ich und was schlummert noch unerkannt in mir?
In diesen 40 Tagen ist so viel passiert, dass es viele Gespräche darüber geben könnte. Aus Anlass der Fragen über die Ängste lade ich jetzt erstmal zu diesem ersten Abend ein.
Wir brauchen natürlich auch nicht den gesamten Abend über Ängste zu sprechen ; ) alle Abzweigungen sind willkommen, wir sehen, was sich an diesem Abend zeigen möchte. Ich freu mich, mit Euch am virtuellen Feuer zu sitzen 🔥
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… und noch ein paar Gedanken mehr über dieses Thema …
Ich denke: es ist wichtig seine eigenen Ängste zu kennen und immer feiner und früher erkennen zu können: wann habe ich Angst? Erkennen zu können, wann die Angst, aus einer Stelle von Trauma kommt und wo es eine Angst ist, die Informationen über eine Bedrohung im hier und jetzt gibt etc etc.
Ich meine, dass es gerade in den jetzigen Zeiten eine wertvolle Resource für viele von uns sein kann, sich da besser zu kennen ... und gleichzeitig auch zu wissen, zu erforschen, von wo aus wir im tiefsten Herzensgrunde eigentlich handeln möchten. Ich weiß, dass ist wirklich groß und Bedarf Mut und eine Hingabe an diesen wertvollen Ort in uns, von dem wir uns manchmal (oder oft) ablenken - durch verschiedenste äußer und innere Dinge. Wie auch immer dieser wertvolle Ort sich in Dir darstellt …
An dieser Stelle möchte ich auch anerkennen, dass es sehr sehr viele Menschen auf unserer Erde gibt, die in einem solchen Terror leben, dass sie sich diese Fragen gar nicht stellen können - da es bei ihnen vor allem ums Überleben gibt. Und ich möchte anerkennen, dass auch hier, vielleicht sogar bei Dir manchmal Ängste auftauchen, die sich lebensbedrohlich anfühlen. (Sehr gute Entwickluns-Trauma-Arbeit bietet zb. Leonie von Arnim an, falls Du das Gefühl hast, Du brauchst auf diesem Gebiet Unterstützung)
Ich vermute, dass viele von uns, hier in dieser Runde einerseits das Privileg haben, nicht ums nackte Überleben kämpfen zu müssen und ich denke, dass damit auch gleichzeitig auch eine Verantwortung erwächst, unser Leben und unsere ganz eigene “Rolle” in dieser Welt ernst zu nehmen. Ich weiß, unsere Ängste sind auch real. Und unsere gesamte Gesellschaft ist traumatisiert … aber das führt nun zu weit und darüber schreibe ich ein anderes Mal.
Ich freu mich auf unsere Runde!
Komm, wie Du bist!